AG Berlin - Tempelhof-Kreuzberg: Unverlangte E-Mail-Werbung

BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1


Die Beweislast dafür, dass der Empfänger eine Werbemail sich mit dem Erhalt von E-Mail-Werbung einverstanden erklärt hat, trägt der Versender. Er muss beweisen, dass eine Einverständniserklärung tatsächlich von dem betreffenden Empfänger stammt. Dies setzt die Anwendung des sog. Double-opt-in-Verfahrens voraus, weil damit Falscheintragungen ausgeschlossen sind.

AG Berlin - Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 12.03.2013 – 24 C 1001/13

Tenor
Die einstweilige Verfügung des AG Tempelhof-Kreuzberg – 24 C 1001/13 – vom 05.0.2013 wird aufrechterhalten.
Die Verfügungsbeklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Unterlassung der Kontaktaufnahme per Werbe-E-Mail.
Abs. 1
Der Verfügungskläger erhielt am 28.01.2013 eine E-Mail von der Verfügungsbeklagten an seine E-Mail-Adresse …, in der ihm der Kauf von Backlinks u. ä. angeboten wurde. Wegen des näheren Inhalts der E-Mail wird auf den Ausdruck, Anlage AS 1, BI. 5 d. A., verwiesen.
Abs. 2
Der Verfügungskläger mahnte die Verfügungsbeklagte mit E-Mail vom gleichen Tag [ab] und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Verfügungsbeklagte reagierte noch am gleichen Tag per E-Mail, in der sie die Löschung des Kontos des Verfügungsklägers mitteilte. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gab die Verfügungsbeklagte nicht ab.
Abs. 3
Auf Antrag des Verfügungsklägers vom 04.02.2013 hat das erkennende Gericht der Verfügungsbeklagten mit einstweiliger Verfügung vom 05.02.2013 untersagt, mit dem Verfügungskläger per E-Mail zum Zwecke der Werbung Kontakt aufzunehmen, ohne dass dessen Einverständnis vorliegt.
Abs. 4
Die Verfügungsbeklagte hat unter dem 18.02.2013 Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt.
Abs. 5
Der Verfügungskläger beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 05.02.2013 aufrechtzuerhalten.

Abs. 6

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Abs. 7
Die Verfügungsbeklagte behauptet, der Verfügungskläger habe sich unter dem 03.02.2010 auf ihrer Website als Nutzer mit seiner E-Mail-Adresse angemeldet und habe seitdem fortlaufend – bis zum 28.01.2013 – Werbung von der Verfügungsbeklagten erhalten. Zur Glaubhaftmachung legt sie neben der Kopie einer eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers den Ausdruck der Anmeldedaten (Anlage AG 1) sowie einen Screenshot der Anmeldeseite auf ihrer Website vor.
Abs. 8
Entscheidungsgründe
Auf den zulässigen Widerspruch der Verfügungsbeklagten ist die einstweilige Verfügung vom 05.02.2013 aufrechtzuerhalten, da sie sich als in der Sache rechtmäßig darstellt, §§ 925, 936 ZPO.
Abs. 9
Der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.
Abs. 10
Das Gericht kann gem. §§ 935, 940 ZPO eine einstweilige Verfügung erlassen, wenn die einstweilige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Hierfür muss neben dem besonderen Eilbedürfnis (Verfügungsgrund) ein zu sichernder materiell-rechtlicher Anspruch (Verfügungsanspruch) glaubhaft gemacht werden (§§ 920 Abs. 2, 936 ZPO).
Abs. 11
I. Dem Verfügungskläger steht ein Verfügungsanspruch auf die begehrte Unterlassung der Kontaktaufnahme per E-Mail zur Werbung durch die Verfügungsbeklagte aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB zu.
Abs. 12
1. Die Zusendung von unerwünschten Werbe-E-Mails stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Adressaten dar. Der Eingriff ist auch betriebsbezogen, da neben etwaig entstehenden Kosten des Abrufs der E-Mail vor allem auch Arbeitszeit vom Adressaten aufgewendet werden muss, um die Werbe-E-Mail als solche zu erkennen und von anderen, wichtigen Nachrichten zu unterscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 11.03.2004 – I ZR 81/01 Tz. 35, juris). Dies verursacht eine Störung des Betriebsablaufs und ist mithin betriebsbezogen.
Abs. 13
So liegt es hier. Die Verfügungsbeklagte hat unstrittig am 28.01.2013 eine E-Mail mit werbendem Inhalt an den Verfügungskläger gesandt.
Abs. 14
2. Der Eingriff ist auch rechtswidrig. Gerechtfertigt ist der Versand einer werbenden E-Mail allein dann, wenn der Empfänger der Werbung vorher zugestimmt hat oder das Einverständnis vermutet werden kann (LG Berlin, Beschl. v. 02.07.2004 – 15 O 653/03, juris m. w. Nachw.) Die Beweislast für das Vorliegen einer vorherigen Zustimmung des Adressaten trägt die Verfügungsbeklagte als Versenderin der Werbe-E-Mail (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2011 – I ZR 164/09 Tz. 30, juris m. w. Nachw.).
Abs. 15
Auch bei einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung, wie sie die Verfügungsbeklagte hier vorgetragen hat, ist neben ihrer Speicherung und dem jederzeit möglichen Ausdruck erforderlich, dass eindeutig ist, dass die Einverständniserklärung tatsächlich von dem betreffenden Adressaten stammt, andernfalls ist das Verfahren für den erforderlichen Nachweis ungeeignet (BGH, Urt. v. 10.02.2011 – I ZR 164/09 Tz. 31, juris).
Abs. 16
Der von der Verfügungsbeklagten vorgelegte Ausdruck der Anmeldedaten für die E-Mail-Adresse des Verfügungsklägers und der Hinweis auf die Anmeldeseite auf ihrer Website reichen für eine sichere Zuordnung der Anmeldedaten zum Verfügungskläger auch unter Berücksichtigung der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten nicht aus. Nach der Rechtsprechung des BGH, der sich das erkennende Gericht anschließt, kann nur bei Anwendung des sog. Double-opt-in-Verfahrens, bei dem der Absender einer elektronischen Anmeldung für E-Mail-Werbung durch eine E-Mail um eine weitere Bestätigung gebeten wird, sichergestellt werden, dass die Anmeldung tatsächlich von dem Absender stammt und es somit nicht aufgrund von Falscheintragungen zu einer Versendung von Werbe-E-Mails kommt (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2011 – I ZR 164/09 Tz. 37, juris).
Abs. 17
Diesen Anforderungen genügt die Dokumentation der Verfügungsbeklagten nicht, sodass sie nicht glaubhaft machen konnte (§ 294 ZPO), dass der Verfügungskläger, der seinerseits eidesstattlich versichert hat, eine Anmeldung nicht vorgenommen zu haben, vorher sein Einverständnis zum Empfang von Werbe-E-Mais erteilt hat.
Abs. 18
3. Die für den Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch den Verstoß indiziert und ist hier von der Verfügungsbeklagten auch nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt worden. Die bloße Zusicherung in ihrer Reaktion auf die Abmahnung des Verfügungsklägers vom 28.01.2013, den Account gelöscht zu haben und somit zukünftig keine weiteren E-Mails an den Verfügungskläger zu versenden, genugt hierfür nicht, da den berechtigten Interessen des Verfügungsklägers nur eine Strafbewehrung die erforderliche Gewissheit hinsichtlich der Beendigung des betreffenden Verhaltens genügt (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 02.07.2004 – 15 O 653/03, juris m. w. Nachw.).
Abs. 19
II. Die erforderliche Eilbedürftigkeit liegt ebenfalls vor, da der Verfügungskläger mangels Beseitigung der Wiederholungsgefahr durch die Verfügungsbeklage jederzeit mit weiteren E-Mails rechnen muss.
Abs. 20
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO analog, ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit war angesichts der Rechtsnatur der einstweiligen Verfügung entbehrlich (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. [2012], § 925 Rn. 13).
Abs. 21
 

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