LG Koblenz: Freigabe eines DSL-Ports

BGB §§ 242, 280 Abs. 1, 326 Abs. 2, 611, 1004


1. Ein Anspruch eines Kunden auf Freigabe eines DSL-Ports durch den Telekommunikationsanbieter besteht erst, wenn das zu Grunde liegende Vertragsverhältnis beendet ist.

2. Der Kunde hat an dem DSL-Port keine eigentümerähnliche Stellung. Er hat weder die tatsächliche Sachherrschaft über den DSL-Port, noch kann er Einfluss darauf nehmen, welche transceiver unit mit seiner Telefonnummer verbunden ist.


LG Koblenz, Urt. v. 17.09.2008 – 12 S 79/08
(AG Montabaur, Urt. v. 22.02.2008 – 15 C 206/07)

Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG Montabaur vom 22.02.2008 – 15 C 206/07 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Im September 2006 schloss der Kläger bei der Beklagten einen Vertrag über einen DSL-Internetanschluss, einen DSL-Flatrate-Zugang ins Internet und eine Telefon-Flatrate mit einer Laufzeit von zwei Jahren zu einem monatlichen Pauschalpreis von 29,99 € ab. Der Kläger kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 04.01.2007 fristlos. Mit vorliegender Klage begehrte der Kläger erstens die Feststellung, dass zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis mehr bestehe, und zweitens die Verurteilung der Beklagten zur Freigabe des zu seiner Anschlussnummer gehörigen DSL-Anschlusses (DSL-Ports).
Abs. 1
Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Feststellungsklage abgewiesen. Auf den Leistungsantrag hat es die Beklagte verurteilt, den DSL-Port zur Anschlussnummer des Klägers freizugeben.
Abs. 2
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der von dem Amtsgericht zugelassenen Berufung.
Abs. 3
II. Die gem. § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG Montabaur vom 22.02.2008 ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten während der Vertragslaufzeit nicht die Freigabe des DSL-Ports verlangen.
Abs. 4
Unabhängig davon, dass ein Interesse des Telefonkunden an der Freischaltung des DSL-Ports bei Fortbestehen des Telefonvertrags wegen des weiter an die Telefongesellschaft zu zahlenden Entgelts im Regelfall nicht bestehen dürfte, ist eine Rechtsgrundlage für das Freigabebegehren während der Vertragslaufzeit nicht erkennbar.
Abs. 5
Ein Anspruch des Klägers analog § 1004 BGB besteht nicht. Der Kläger hat an dem DSL-Port keine eigentümerähnliche Stellung. Eigentümer der DSL-Verteilerstelle ist die X-AG. Eine Rechtsposition des Klägers an dem DSL-Port, die dem Eigentum vergleichbar ist und damit eine analoge Anwendung des § 1004 BGB rechtfertigen könnte, existiert nicht. Der Kläger hat weder die tatsächliche Sachherrschaft über den DSL-Port, noch liegt es in seinem Einflussbereich, welche transceiver unit mit seiner Telefonnummer verbunden ist.
Abs. 6
Der Kläger kann von der Beklagten auch nicht gem. § 280 Abs. 1 BGB i. V. mit dem Telefon- und Internetvertrag, der als Dienstvertrag in der Form eines Dauerschuldverhältnisses zu qualifizieren ist (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., vor § 631 Rn. 28 f.), die Freigabe des DSL-Ports während der Vertragslaufzeit verlangen. Eine solche Nebenpflicht der Beklagten besteht nicht.
Abs. 7
Die Beklagte ist gem. § 611 Abs. 1 BGB vertraglich zur Leistung der versprochenen Dienste verpflichtet. Würde man die Beklagte während der Vertragslaufzeit zur Freischaltung des DSL-Ports verurteilen, könnte sie ihre vertraglich übernommenen Pflichten nicht erfüllen. Eine Pflicht des Telefonanbieters, sich selbst die vertraglich geschuldete Leistung unmöglich zu machen, besteht nicht.
Abs. 8
Dies gilt umso mehr, als die gesetzliche Vorschrift des § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB normiert, dass der Beklagten, wenn ihr wegen eines von dem Kläger zu vertretenden Umstandes die Leistung unmöglich geworden ist, nur ein Vergütungsanspruch abzüglich ersparter Aufwendungen zusteht. Die Beklagte trifft im Rahmen des § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB eine sekundäre Darlegungslast (Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 326 Rn. 13). Die Berechnung des Anspruchs ist für die Beklagte unbestritten mit großem Aufwand verbunden, wohingegen nach der vertraglichen Vereinbarung, die mangels wirksamer Kündigung gem. § 314 BGB nach wie vor Bestand hat, eine monatliche Pauschalvergütung vereinbart ist.
Abs. 9
Die Gefahr, dass die Beklagte die ihr mangels wirksamer Kündigung aus dem Telekommunikationsvertrag eigentlich zustehende Vergütung nicht verlangen kann, besteht. Es ist nicht sicher, dass die zur Entscheidung berufenen Gerichte der Anwendung des § 326 Abs. 2 BGB den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten werden, wie das Amtsgericht meint. Denn die Rechtsfolge des § 326 Abs. 2 BGB ergibt sich aus dem Gesetz.
Abs. 10
Hinzu kommt, dass sich der Kläger im vorliegenden Fall gegenüber der Beklagten in Ziffer 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für DSL-Anschlüsse verpflichtet hat, den Telefonanschluss während der Vertragsdauer zu unterhalten. Der Kläger hat sich damit vertraglich zur Mitwirkung verpflichtet.
Abs. 11
Ein Anspruch des Klägers auf Freigabe des DSL-Ports ergibt sich auch nicht aus § 242 BGB. Zum einen beruht die Einschränkung seiner Entscheidungsfreiheit betreffend den DSL-Port auf dem Telekommunikationsvertrag, den er freiwillig mit der Beklagten mit einer Laufzeit von zwei Jahren abgeschlossen hat. Zum anderen ist der Kläger nicht auf die Freigabe des DSL-Ports durch die Beklagte angewiesen, um einen Hochgeschwindigkeits-Internetzugang zu erhalten. Der Kläger kann sich nach dem unstreitigen Vorbringen der Beklagten auch einen anderen Telefonanschluss freischalten und über einen anderen Provider einen DSL-Anschluss einrichten lassen. Ferner kann sich der Kläger über Satellit, Handy oder Kabel Hochgeschwindigkeitszugänge zum Internet einrichten lassen. Dass diese Alternativen Geld kosten, ist ohne Belang. Denn der Abschluss eines neuen Telekommunikationsvertrages ist in der Regel mit einer Abschlussgebühr bzw. Einrichtungskosten verbunden.
Abs. 12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Abs. 13
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird gem. § 41 GKG auf 359,88 € festgesetzt.
Abs. 14
 

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